TON-NESTKONSTRUKTIONEN VON HAUTFLÜGLERN IN WEILMÜNSTER (WEILTAL)
Um Tonnester bauen zu
können bedarf es zuerst geeigneter Baumaterialsammelstellen. Sand, Lehm und Ton
sind an vegetationsfreien Bodenaufschlüssen zu finden, wie sie in der Natur
insbesondere an Landschaftsstrukturen mit erhöhter Erosionseinwirkung wie Gewässerufern
und Steilhängen vorkommen. Existieren an so gestalteten natürlichen Standorten
gleichzeitig Bodenverhälnisse, die das Graben von witterungsresistenten
Nesttunneln bzw. das Anheften von Lehm und Ton an trockenen, festen
Untergründen (Stämme, Steine & Felsen) ermöglichen, dann finden Toninsekten
dort bei gleichzeitig existierendem Nahrungsangebot und Sonneneinstrahlung
ideale Vermehrungsbedingungen.
Durch die Aktivitäten des
Menschen und seine Eingriffe in die Natur entstehen zusätzlich künstliche geschaffene
Strukturen, die sowohl „anthropogene“ Baumaterialquellen erschließen als auch
klimabegünstigte Nestbauplätze und Nahrung zur Verfügung stellen und so die
Ansiedlung von Tonnestbauenden Tierarten in der Nähe menschlicher Siedlungen
erleichtern und ermöglichen. Dies hat
dazu geführt, daß heute insbesondere in Siedlungsnähe die Arten- und
Individuenzahl von Toninsekten beständig ansteigt, die hier in Gärten und
Gärtnereien ganzjährig Nahrung vorhanden ist und an menschlichen Bauwerken sowie
menschengeschaffenen Strukturen wie Wegrändern, Steinbrüchen, Ackerrainen,
unzählige Nistmöglichkeiten bestehen. Trotzdem ist weiterhin die Existenz
historischer Baustrukturen, wie sie insbesondere unverputzte Fachwerkhäuser,
Gehöfte und Scheunen mit Lehmwänden und unzementierten Natursteinmauern
darstellen, Voraussetzung für Vermehrung und Überleben von
Toninsekten, denn nur an diesen Stellen können sie mit Sicherheit ungestört
ihren ganzjährigen Entwicklungszyklus überdauern, während „technikbedingte“
Nestbauten in Fensterrahmen, Rolllädenöffnungen und Insektenhotels wegen den zu befürchtenden,
permanenten menschlichen Eingriffe nicht notwendigerweise diese Vorrausetzung
erfüllen.
Bevorzugte anthropogene Nestbauplatzstrukturen von Toninsekten: Unverputzte Fachwerk-Lehmwände, unzementierte Natursteinmauern, südexponierte, vegetationsfreie Geländekanten an Wegrändern und Abhängen.
Die
im Rahmen der vorliegenden Untersuchung in Weilmünster und Umgebung
dokumentierten Nestbaustrukturtypen sind nachfolgend im unter der Adresse
angefügten
Nestbauplatzstruktur-Blog zusammengestellt und kurz beschrieben.
Systematische Übersicht der in Weilmünster gefundenen
Tonkonstruktionen nach architektonischen Merkmalen
(ohne Arten-Zuordnung)
Die Beobachtung und Bestimmung beziehungsweise Unterscheidung Tonnestbauender Hymenopteren nach artspezifischen Merkmalen erfordert viel Geduld, Ausdauer und ein gewisses Maß an Grundkenntnissen der biosystematischen Arterkennung und Artenzuordnung. Dies umsomehr, da sich die Biosystematik in ständiger Bewegung befindet und sowohl Artnamen als auch die Klassifizierungsgruppen einer permanenten, dynamischen Reorganiosation unterworfen sind, so daß die Spezialkenntnisse und die Erfahrung der Bearbeiter spezieller Artengruppen unverzichtbarer Bestandteil des naturwissenschaftlichen Kenntnisstandes sind.
Tonnestbauende Hymenopteren erkennen Naturkundler nicht notwendigerweise sofort an ihrem Aussehen sondern erst, wenn es gelingt, diese direkt beim Bau ihrer Tonkonstruktionen zu beobachten. Diese Aktivität beschränkt sich allerdings auf wenige Tage im Jahr, so daß der direkte Nachweis entweder nur zufällig oder aber mit großem Zeitaufwand möglich ist.
Sehr viel einfacher ist es, mit geübtem Auge die Tonkonstruktionen von Bienen und Wespen aufzuspüren, doch ist die Zuordnung zu einer bestimmten, bauenden Art schwierig, wenn diese nicht wiederholt an dem Nest mit herantransportiertem Baumarterial, Larvennahrung oder Beutevorrat zu sehen ist. Erschwerend bei der Zuordnung der Bauwerke ist zudem, daß Nester von tonbauenden Hymenopteren oft von anderen Hymenopteren aufgesucht und okkupiert werden.
Im Rahmen dieser Untersuchung der heimischen tonbauenden Hymenopteren soll zudem auf den Fang von Tieren zu deren biosystematischer Bestimmung vollständig verzichtet werden, sowohl um weder den Artenbestand zu dezimieren oder zu gefährden, noch deren Nestbau und Vermehrung zu stören als auch aus ethisch-oökologischen Gründen, denn jedem der hochentwickelten und sensiblen Tiere wohnt eine eigene Seele inne. Eine einigermaßen zutreffende und sichere Artbestimmung und biosystematische Zuordnung ist also zumeist nur als Kombination folgender Beobachtungsdaten möglich:
1. Nestbauplatzstruktur und ökologischen Habitatansprüchen
2. Architektur des Tonnestbaues
3. Körperbaumerkmalen entsprechend der fotografischen Beobachtung
4. kalendarischem Aktivitätszeitraum innerhalb des Jahres
Als architektonische Grundstrukturen aus Ton sind bisher folgende Nester oder Nestbestandteile im Beobachtungsgebiet in und um Weilmünster registriert worden:
1. Kuppelförmige Nestkammern auf Stein- oder synthetischen Oberflächen
2. Zylindrische Nestbrutkammern in Mauerfugen und Steinhöhlungen
3. Dick- bzw. dünnwandige, symmetrische und asymmetrische Vermauerungen bzw. Verdeckelungen von Nesteingängen in Stein, Holz, Lehm oder synthetischem Material
4. Trennwände aus Ton zwischen parallelen Brutkammern in künstlichen und natürlichen Nesttunneln
5. Verstärkende Vermörtelungen des Nesttunneleinganges bzw. der eingangsnahen Tunnelwandung in Lehmwänden oder dem Erdboden
6. Turmvorbauten (gerade oder gebogen) über Nesttunneleingängen in Lehmwänden oder dem Erdboden
7. Verstärkungen der Nesttunnelwandungen
8. Bau von unterirdischen Brutkammern aus Ton durch Wandimpregnierung und Materialverdichtung
Die
im Rahmen der vorliegenden Untersuchung in Weilmünster und Umgebung
dokumentierten Nestbaustrukturtypen sind nachfolgend im unter der Adresse
angefügten
Nestarchitektur-Blog zusammengestellt und kurz beschrieben.
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